Dass es sie noch überhaubt gibt, die aussterbenden Augenblicke der Peinlichkeit, das ist ein gutes Zeichen. Warum?
„Das gehört sich doch nicht“, „Was soll das?“, „Unverschämt dieses Verhalten“ und noch viele andere Gedanken, die in Köpfen kreisen, wenn es innerhalb einer Gruppe plötzlich peinlich wird. Da sind wir schon beim Übeltäter der häufigsten Peinlichkeiten angelangt, dem Körper.
Er ist es, der uns mit seinem Metabolismus, seiner Reaktionschnelligkeit, lustvollen Bedürfnissen einen Strich durch die (gedankliche, soziale und morale) Rechnung macht. Er tritt auf die Angstbremse (mehr zum Umgang mit Angst: http://www.failandgetup.com/2019/01/13/am-anfang-war-die-angst/), überlistet Bedeneken und macht meistens das, was er will. Peinlichkeiten und Ettiketten hin oder her…
Darf ich im Schlamzimmer einen fliegen lassen? Habe ich Mundgeruch nach der gestrigen Party? Wie „laut“ darf ich auf einer öffentlichen Toilette sein? Habe ich da ein Geheimnis ausgeplappert? Fragen über Fragen vor die uns unser oder der Körper unserer Mitmenschen häufig in Form von Peinlichkeiten ungefragt stellt.
Wozu Peinlichkeiten gut sind?
Am häufigsten erwischt es mich beim Essen, das Gefühl der unerwarteten Scham, wenn ich ein T-Shirt oder ein weißes Hemd bekleckert habe. Zum Glück denke ich dann schnell an meine Urgroßmutter, Oma und Mama. Die Rechtfertigung lautet: Familientradition, die (stolz/peinlich) fortgeführt wird.
In den meisten solcher Situationen verstecke ich mich nicht, denn das Beobachten und vor allem das Bewerten, sind die gängigsten Verhaltensformen von Menschen. Die Devise lautet: Wenns peinlich ist, dann ist es es auch für die anderen. „Upppsss schon wieder…“ und damit wissen es alle am Tisch und das Rotwerden hält sich auch in Grenzen. Denn oft schämt man sich mehr über die eigene Scham als über das eigentliche Missgeschick. So löst man die Spannung in der Gruppe viel besser auf und kriegt meistens auch andere semipeinliche Geschichten zu hören (mehr zum konstruktiven Umgang mit Fehlern: http://www.failandgetup.com/2019/01/27/fehler1/). Welches sind Deine TOP-Peinlichkeiten? Wie gehst du mit diesen um? In welchen Augenblicken musst du dich am meisten Fremdschämen und wieso sind es diese?
Das Gute an Peinlichkeiten ist, dass man vieles ungefiltert über sich und die mit der Peinlichkeit konfrontierten Mitmenschen erfährt. Schnell wird klar, wer sich von mir distanziert, wer teilt meine Scham und wer viel Humor hat. Die Sympathiepunkte werden authentisch verteilt oder abgezogen. Auch kriegt man selbst mit, ob ich an einer Situation immer wieder verkrampfe oder halbwegs souverän mit dieser umgehe? Mache ich mir viel zu viele Gedanken, d.h. bin ich penibelst genau und damit vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes selbst peinlich?
Mit wem teilst Du Peinlichkeiten?
Es war auf einer Kundenveranstaltung. Wir stand zu fünft oder sechst an einem Tisch gestanden. Alles gute Arbeitskollegen, nicht mehr und nicht weniger. Plötzlich wurde es peinlich, denn wir sind auf das Thema „Verhütung“ gekommen. Schnell war mir klar, dass nicht zu viel gesagt wird und wenn dann sehr oberflächlich. Aber ich habe mich zum Glück getäuscht. Das peinliche Thema wurde zum mehrminütigen Austausch über Lust, (gewollte und ungewollte) Kinderwünsche, Freiheit und die Desillusion über „Patentlösungen“. Die frohe Runde ist sich im Laufe des Gesprächs (unausgesprochen) darüber einig geworden, dass es wertvoll ist, sich länger auf das dünne Eis der Peinlichkeiten zu begeben. Wieso?
Weil hier ein Wissen geteilt wurde, dass sehr wertvoll ist. Peinliche Situationen sagen mehr über uns selbst und unsere Mitmenschen aus, als wir es uns oft wünschen. Der Körper hilft uns und gibt Anlass sich über unsere physischen sowie geistigen und emotionalen Befindlichkeiten nicht nur Gedanken zu machen. Aus diesen Peinlichkeiten erwächst eine gesunde Beziehung zu sich selbst, zu Mitmenschen in Schule, Arbeit und Daheim. Der Grad der Vertrautheit und Wohlbefindens innerhalb einer Beziehung ist u.a daran zu messen, mit wem ich mich und vor allem wie ich mich über Peinlichkeiten austausche, diese teile. Welches Verhältnis hast Du zu deinen Peinlichkeiten? Mit wem und wann tauschst Du dich über diese wie aus?
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