…oder warum das Wochenende tot ist

Heute einwenig freestylerisch über die Veränderung des (Arbeits-)Alltags. Oder über die neue Illusion eines (Arbeits-)Tages? Was könnte das sein? Und: Wählen wir die Selbstversklavung?

Es ist nicht so lange her, da hat die Arbeitswoche (zugegeben ein in den letzten Monaten schnell alternder Begriff) unserer Großeltern 6 Tage gehabt. Der „freie“ Sonntag war auch ganz schön anstrengend und mit Terminen durchgetaktet.

Irgendwann später ist der halbe Samstag frei geworden und dann sogar der Ganze. Das Wochenende im Sinne einer freien Zeit wurde geboren und damit eine imposante Freizeit- und Wochenendindustrie. Wie aktuell klingen diese Sätze für Dich?

Das Wochenende stirbt rasant aus

Spätestens seitdem die gefühlt halbe Arbeitswelt ins Homeoffice geschickt wurde, hat sich an unserem Wochenrhythmus etwas Grundlegendes geändert. Frag dich einfach, wie oft hörst du die Worte „Schönes Wochenende“ am Freitag?

Wirst entgegnen: Ja, ja aber es liegt ja an der deutlich geringeren Anzahl an sozialen Kontakten und weil wir eben im Homeoffice sitzen. Richtig, was bedeutet das mittel- und langfristig?

Zunächst einmal, dass das Wochenende (also der für viele arbeitsfreie Samstag und Sonntag) mit der Demokratisierung der technologischen Möglichkeiten „Remote Work“ und „Homeschooling“ nicht mehr VORGEGEBEN ist, sondern von vielen selbst GEWÄHLT oder eben ABGEWÄHLT werden darf.

Zunehmend flexible Arbeitszeiten machen es möglich, auch am Samstag oder Sonntag Mails, Projekte, Online-Meetings zu bearbeiten oder zu organisieren. Damit’s verständlich ist: Ich spreche hier nicht über den Sonntag Nachmittag, der für viele seit Jahren als Arbeitsfenster mehr oder weniger heimlich genutzt wird.

Die Illusion vom Arbeitstag

Vielmehr geht es um eine neue Arbeitswelt, um dich und mich, der oder die kein Wochenende mehr kennt, weil sie selbst… auf dieses verzichtet hat. Wenn wir nicht mehr im Büro oder in der Schulklasse sitzen, sondern daheim, dann gibt es beispielsweise keinen Herdentrieb – im Sinne einer Entscheidung auf Vergleichs- und Hierarchiebasis – in Richtung Wochenende mehr.

Viele entscheiden heute selbst, wann und wie lange die Arbeitszeit unterbrochen wird. Ein gleichmäßiges und rhythmisches Beginnen und ein Beenden dieser – im Sinne von zwei freien Tagen – gibt es zunehmend nicht mehr.

Vielmehr ist die Illusion einer perfekten Arbeitswelt geboren. Da gibt es ein virtuelles Hochhausbüro in einem Online-Meeting mit einem Chefsessel im Hintergrund. Und es wird nicht lange dauern, bis wir Filter- und Lichteffekte für unser Aussehen in jenem Online-Meeting nutzen können. Und, und, und…

Wenn wir dieselben Effekte für eine Telco mit unseren privaten Kontakten oder in Social Media nutzen, worin unterscheidet sich dann noch die Arbeitszeit vom (privaten) Alltag? Was ist der Unterschied zwischen einem Samstag und einem Dienstag? Gibt es die Kategorien von Frei- und Arbeitszeit überhaupt noch?

Gewohnheiten machen den Unterschied

Gut, dass es in diesem Dschungel aus neuer Komplexität (mehr hierzu: http://www.failandgetup.com/im-zeitalter-der-komplexitat-marekgross-lebenskunst/ ) und neuen Möglichkeiten einfacher geht.

Der erste und wichtiger Schritt sind Fragen wie: Welche Gewohnheiten – im Kontext von Anstrengung und Erholung – will ich beibehalten und welche will ich (oder muss ich) ändern? Wann erlebe ich eine Zeit als Freizeit, d.h. Erholungszeit? Welche Formen der Erholung tun mir gut?

Zweitens ist das Ausprobieren dieser neuer Gewohnheiten und damit das Einüben ihrer (zeitlichen, sozialen, emotionalen und rationalen) Beständigkeit/Nachhaltigkeit in der alltäglichen Praxis notwendig. Anders: Wo braucht es ein kleinwenig Anpassung und was funktioniert überhaupt nicht mehr? Wie fühlt sich meine/unsere neue Erholungszeit und -raum dauerhaft an?

Das wird so nie kommen? Ist alles noch ferne Zukunftsmusik? Dann schreib ein Kommentar oder eine Mail an: mpjgross@interia.pl

Dieser Blogbeitrag enthält die subjektive Sichtweise und Meinung von Marek Gross